Jenes volle satte Gelb

7 Lieber wäre ihm ein Zimmer im Hotel schräg ggeenüber dem Hirschtor mit dem sterbenden Zwölfender auf der Bekrönung gewesen. Das Haus aus der Vorkriegszeit mit seinen neoba- rocken Fensterumrahmungen und dem ehemals silbergrauen Putzbewurf, der jetzt freilich schmutzig nachgedunkelt und an vielen Stellen abgeplatzt war und ordinäre Backsteinmauern sehen ließ, gab sich zurückhaltend. Die Großmutter hatte es gediegen genannt, das höchste Lob, das sie zu vergeben hatte. Außerdem lag es nicht weit vom Park und von der Leipziger Straße. Doch leider war das Hotel „Zum Hirschtor“ ausgebucht, seit Wochen schon, die Stadt war jetzt ein begehrtes Reiseziel für Besucher aus demWesten. Und amWochenende, was glaubte er wohl, was hier los war im Frühling. Es gab zu wenig Betten, da würde sich eine Menge ändern müssen. Die junge Frau an der Rezeption hob bedauernd die Achseln. Sie stammte nicht aus der Gegend. Missmutig hörte er ihren Akzent, die verschwomme- nen Vokale und aufgeweichten Konsonanten, und ärgerte sich gleich über sich selbst. Das fehlte noch, sich die Vorfreude von solch lächerlichen Empfindlichkeiten trüben zu lassen. Eigent- lich war die Frau sehr nett, wie sie nun bereitwillig herumtelefo- nierte und versuchte, den plötzlich hereingeschneiten Besucher irgendwo unterzubringen. Da haben Sie Glück gehabt , sagte sie und strahlte ihn an, im Interhotel ist noch ein Zimmer frei. An der Thälmannbrücke war das, sie wollte ihm auf dem Stadtplan zeigen, wie er dort hinkomme. Lassen sie man , sagte er, ich weiß Bescheid . Doch dann stellte sich heraus, dass er sich doch nicht mehr so gut auskannte, wie er geglaubt hatte. Daran waren die vie- len Einbahnstraßen schuld, er musste Umwege machen und kam in Gegenden mit hohen, gleichförmigen Neubauten, die ihm fremd waren und wo er keine vertrauten Landmarken mehr fand, zumal die Straßenführung verändert worden war. Irgendwann fuhr er zum Fluss hinunter, an breiten Parkplätzen in der Straßenmitte vorbei, die jetzt die Stelle des Stadtkanals