Jenes volle satte Gelb

5 TEIL 1 Er hatte wirklich davon gesprochen, von jenem schwer satten Gelb, das ihm noch, dessen war er sicher, in der Stunde des To- des leuchten würde vor den blinden Augen als endlich einge- löstes Versprechen der Heimat. Silvia wiederholte seine Worte, als sie mit ihrer Tochter telefonierte. Amen habe ich geantwortet, sagte sie. Vielleicht etwas zu spöttisch . Hast du ihm überhaupt zugehört, Mama? fragte Andrea. Ja, das hatte sie. Sie sah ja, wie ernst es ihm war, aber klang sein lyrischer Anfall nicht ein bisschen pathetisch, ja geradezu kitschig? Ihre Stimme am Telefon war schrill. Und das hast du ihm gesagt? Natürlich nicht, behauptete Silvia, wollte auch keinerlei Unwil- len oder Zeichen von Beleidigtsein zu erkennen gegeben haben. Aber war denn etwa Heimat nicht hier, das hatte sie wissen wol- len, wozu hatte er Frau und Tochter? Dem sei wohl so, habe er eher zögerlich als verärgert erwidert. Sah ihr aber nicht in die Augen, erinnerte sie sich. Wahrschein- lich weil er fürchtete, ihre doch schon erkennbare Fürsorge könnte ihn verwirren und verblassen lassen, was ihm eben noch ganz deutlich war. Er habe schräg an ihr vorbeigeschaut auf den Eierbecher mit der rissigen, vergilbten Glasur im Bord neben den Gewürzgläsern, den sie nicht wegwerfen durfte. Einmal hatte sie es versucht und er hatte sie angeschrien, weiß war er vor Wut, seltsam bei diesem sanftmütigen, schweigsamen Mann. Woher hatte sie auch wissen sollen, dass dieser altertümliche und un- ansehnliche Eierbecher mit seinen Rokokoschnörkeln, in deren Rissen sich Schmutz angesammelt hatte, seiner Großmutter gehört hatte? Er sprach ja so gut wie nie über die Zeit damals, über die Stadt von schwer sattem Gelb. Nur dass die Großmutter für ihn gesorgt hatte, als die Mutter zum Vater in den Westen gegangen war, hatte er einmal erwähnt. Sie hatte ihn nicht mit- nehmen können, in dem eiskalten Loch, das man dem gewese- nen Offizier nach längerer Kriegsgefangenschaft zugewiesen

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