Jenes volle satte Gelb

12 war er weggegangen? War er überhaupt weggegangen? Nein, nicht er hatte die Heimat verlassen, sie hatte ihn in die Fremde gezwungen, ihn ausgespien. Kunstgeschichte? Sie wissen, wie wenig Studienplätze es in unserer Republik dafür gibt, nehme ich an. Und die sind begehrt, sehr begehrt. Gewiss, seine Leistungen waren untadelig, über dem Durch- schnitt, aber was sein gesellschaftliches Engagement – hatte Direktor Schultes wirklich Engagement gesagt, oder war das Wort erst später, während der Studentenbewegung in Mode gekommen? – was sein Eintreten für den neuen Staat also ange- he, so liege da manches im Argen. Meine Leistungen im Fach Gesellschaftskunde sind mit „sehr gut“ benotet worden Und Mitglied der FDJ bin ich auch. Schultes seufzte: Sicher. Doch Sie gehen kaum einmal zu den Ver- anstaltungen, wie ich höre. Aber... Ich weiß, ich weiß, die Junge Gemeinde. Der Direktor wollte nicht unterbrochen werden. Genau die sei das Problem. Dass sie sich am gleichen Tag wie die FDJ treffe, sei ein unglücklicher Zufall, doch kaum zu ändern. Und wenn am Wochenende zu einem freiwilligen Einsatz aufgerufen wurde, habe Georg prompt eine kirchliche Rüstzeit. Dass er den Ver- dacht äußerte, die Arbeitseinsätze seien mit Bedacht auf eben jene schon lange vorher bekannten Wochenenden gelegt wor- den, an denen die Kirche Rüstzeiten anbot, um deren Arbeit zu behindern, das wollte Schultes überhört haben. Wie Sie wissen, garantiert unsere Verfassung Religionsfreiheit. Außerdem sei da noch der Kollege Kretzschmar: Er hat sich schon des öfteren über Ihre Spitzfindigkeiten, wie er Ihre Einlassungen zu historischen Rolle der Arbeiterbewegung zu nennen beliebt, beschwert. Der Direktor sah ihn bekümmert aus seinem einen verbliebenen Auge an. Das an- dere hatte man ihm im KZ ausgeschlagen, hieß es in der Schule. Ich fürchte, mein Einfluss bei den entscheidenden Stellen reicht nicht weit genug, um Ihnen einen Studienplatz zu verschaffen. Irgend- einen. Und Kunstgeschichte? Ganz ausgeschlossen, glauben Sie mir.