Jenes volle satte Gelb

9 spiegelte. Gottlob hatte er nicht viel Zeit, genauer hinzuschauen. Hinter ihm wurde gehupt, und er musste sich in die Fahrspur einfädeln, die zum Interhotel führte. Weithin leuchteten die Neonbuchstaben auf dem Dach des vielstöckigen Gebäudes, das man an den Rand des ehemaligen Lustgartens gepflanzt hatte, auf dem sich jetzt sinniger Weise ein Fußballstadion breitmache, das nach einem der Heroen der Arbeiterbewegung benannt war, wie er in der aufkommenden Dunkelheit nur mit Mühe erken- nen konnte. An der Rezeption riet man ihm, den Wagen in die Tiefgarage des Hotels zu fahren, oder sollte ein Angestellter das überneh- men? Polnische Diebesbanden waren scharf auf Mercedes und BMW, für die gab es in Russland einen großen Markt. Bis zur Grenze in Frankfurt war es gerade eine Stunde Fahrt, die hiesige Polizei kam da gar nicht hinterher. U In den Schaufenstern der Leipziger Straße lagen die Insignien des neuen Wohlstands. Die Umstellung ging schneller, als er geglaubt hatte. Hier lockten ein paar Fetzen traurig schwarzer Damenunterwäsche, dort wollten seltsam geformte Glaswaren gekauft sein, von denen sich nicht sagen ließ, welchem Zweck sie dienten. Ein langstieliges dünnes Gebilde mochte als Kerzen- halter herhalten. Oder als Vase, als Schnapsglas vielleicht. In der Auslage der Eisenwarenhandlung hatten elektrische Küchen- maschinen die ehrlichen Messer verdrängt. Bis auf eines. Auf samtgrauem Sockel drehte sich ein ins Riesenhafte vergrößertes Vielzweckgerät aus berühmter Schweizer Fabrikation. Messer war es nur nebenbei, ansonsten ließen sich mit dem Ungetüm Flaschen öffnen, Korken ziehen, Schrauben ein- und ausdrehen, Dosen öffnen, Holz sägen und noch vieles mehr. Eine Schere klappte langsam auf und zu, und eine Zange winkte mit ihren Klauen wie ein gestrandeter Hummer. Die Warenwelt war an- gekommen.

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