Immobilien-Almanach 01

11 Einkommens in die Miete stecken. [12] In Berlin sind die Mietpreise – ausgehend von einem historisch bedingten niedrigen Niveau – von 2007 bis 2015 um fast 50 Prozent gestiegen, stärker als in jeder anderen deutschen Großstadt. [13] Nach einer Stagnationsphase wächst die Bevölkerungszahl Berlins seit 2011 um etwa 40.000 bis 60.000 Menschen jährlich, darunter zeitweise viele Flüchtlinge. Zu diesem Zuwachs an Einwohnern gesellt sich eine wachsende Zahl an „temporären“ Bewohnerinnen und Bewohnern, die für eine gewis- se Zeitspanne ihre Zelte in der Stadt aufschlagen. Die wachsende Popularität Berlins als Reiseziel schlägt sich zudem in hohen Besucherzahlen nieder – 12,7 Millionen waren es 2016. [14] Diese Zahlen zeugen von einer kontinuierlich wachsenden Nachfrage nach (tem- porärem) Wohnraum. War Berlin nach der Wiedervereinigung durch Deindustrialisierung, wirtschaftliche Schwäche und hohe Arbeitslosigkeit geprägt, liegt die Stadt heute auf einem stabilen Wachstumskurs; [15] die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten wächst seit zehn Jahren überdurchschnittlich. Das Beschäftigungswachstum geht auf Veränderungen in drei Wirtschaftsbereichen zurück. Erstens hat der Umzug der Bundesregierung zu einem enormen Wachstum an Arbeits- plätzen beigetragen. So arbeiten allein in den Bundesministerien in Berlin mittlerwei- le 12.000 Beschäftigte. Hinzu kommen Tausende von Lobbyisten, Pressevertreterinnen, Beratern oder ausländischen Diplomatinnen. Diese Stellen sind mit hoch qualifizierten und häufig sehr spezialisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt, die von ihren Arbeitgebern „mitgebracht“ werden und in der Regel sehr hohe Einkommen erzielen. An diese Arbeitsplätze gekoppelt ist ein Pool niedrig qualifizierter Dienstleistungstätigkeiten, etwa Sicherheitsdienste oder Gebäudereinigung. Zweitens ist für Berlins Wirtschaft die Zunahme der temporären Besucher, vor allem der Touristen, wichtig. Offizielle Zahlen weisen mehr als 275.000 Arbeitsplätze in diesem Sek- tor aus, mit wachsender Tendenz. [16] Die tatsächliche Zahl der Arbeitenden im Umfeld der Branchen, die vom Tourismus profitieren, dürfte indessen erheblich höher liegen, da Hotellerie, Gastgewerbe und Einzelhandel vor allem auf saisonale Beschäftigung, Teilzeit- arbeit und weitere atypische Beschäftigungsverhältnisse setzen. Kennzeichnend für die- sen Sektor sind unterdurchschnittliche Löhne und prekäre Arbeitsbedingungen. Drittens ist der Komplex der Kreativwirtschaft für Berlin von Bedeutung. In den Feldern Kulturwirtschaft und digitale Industrie entwickelte sich Berlin in der vergangenen Deka- de zu einer „Start-up City“. [17] In diesem Sektor ist die Einkommenssituation differenziert. Während auf der einen Seite von erfolgreichen Programmiererinnen, Kulturmanagern und Opernsängerinnen Top-Gehälter erreicht werden, arbeiten auf der anderen Seite viele in prekärer (Schein-)Selbstständigkeit. Ablesen lässt sich dies etwa am Anstieg der Zahl der Solo-Selbstständigen von 2005 bis 2013 um knapp 90 Prozent auf gut 200.000. [18] Jeder Zweite von ihnen kam 2013 nicht über Einkünfte von 1.300 bis 1.500 Euro netto imMonat hinaus.

RkJQdWJsaXNoZXIy MzY3MzA=