Immobilien-Almanach 01

15 Mit der wachsenden Nachfrage ging demnach nicht nur der Bestand an öffentlichen und Sozialwohnungen rapide zurück, sondern es setzten sich darüber hinaus im privaten Wohnungsmarkt zusehends Verwertungsmodelle mit hoher Renditeorientierung durch. Angesichts der im Vergleich traditionell niedrigen Einkommen wird die Miete damit zum „Armutsfaktor Nr. 1“ in Berlin – und ist ursächlich für die Positionierung der verschiede- nen Bevölkerungsgruppen an den Rändern oder im Zentrum der Stadt. Diversität und die„richtige Mischung“ In Berlin sind die immer wieder angekündigten „Ghettos“ – bis auf punktuelle Ausnah- men – ausgeblieben. Dennoch sind einige Bevölkerungsgruppen überproportional oft an den „Rändern“ der Stadtgesellschaft positioniert. Immer noch ist die Armutsquote der ausländischen Bevölkerung beziehungsweise der Bevölkerung mit Migrationshinter- grund mehr als doppelt so hoch wie die der Bevölkerung mit deutschen Wurzeln. [38] Auch übernehmen nicht alle Stadtteile gleichermaßen Integrationsaufgaben. Ebenso wurden Flüchtlinge 2015/2016 zunächst in den Außenbezirken Lichtenberg, Spandau, Pankow und Marzahn-Hellersdorf untergebracht. Zugleich kann Berlin inzwischen, so wie andere große europäische Einwanderungsstädte auch, darauf zählen, dass es weitere Zuwanderer anzieht, die mit Ressourcen kommen. Die Vielfalt, auch gerade in den Nachbarschaften mit Armutsnischen und den teilweise noch niedrigen Mieten, zieht die kreativen Mittelschichtler an. Das „Migrantische“ wird dort nicht mehr als „randständig“ angesehen, sondern dient zunehmend als Distinktions- merkmal, zur Abgrenzung der Mittelschichten mit ihrem kosmopolitischen Habitus. Das multikulturell geprägte Stadtumfeld wird Teil eines Lifestyles, das Diversität als Internati- onalität und Konsumversprechen interpretiert. [39] Schnell vergessen ist, dass diese besondere Mischung – der migrantische „Mehrwert“ – durch langjährige Maßnahmen der Sozialpolitik, die mit besonderen Partizipations- ansätzen operierten, vorbereitet wurde. In den in Mauerzeiten abgehängten Stadtteilen wie Kreuzberg und Neukölln musste man erfinderisch sein, wollte man gemeinsame Aktionen für alle Bewohnerinnen und Bewohner voranbringen. Diese Nachbarschaften verdankten ihre Bevölkerungsstruktur im Wesentlichen dem Zuzug von Migrantinnen und Migranten in die abrissreifen Altbauten der 1970er Jahre. In Kombination mit woh- nungsbaulichen Experimenten wie der behutsamen Stadterneuerung und hochsubven- tionierten Sozialprogrammen entstand ein für die Bundesrepublik einmaliges Soziotop. Wie in anderen armutsgeprägten Stadtteilen auch konnten viele Bewohner durchgehend in Programme des Quartiersmanagements eingebunden und aktiviert werden. Stadtteil- manager wirkten als Koordinatoren von bereits initiierten Unternehmungen, [40] Arbeits- gemeinschaften und soziale Innovationen wie etwa die „Werkstatt der Kulturen“ setzten auf eine Einbeziehung randständiger, oft migrantischer Kulturen.

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