Immobilien-Almanach 01

14 an „Zwischenerwerber“ veräußert wurde. In einer zweiten Welle wurden in den 2000er Jahren umfangreiche Bestände an Private-Equity-Gesellschaften verkauft. Zwischen 2001 und 2005 trennte sich Berlin von einem Drittel der ehemals landeseigenen Bestän- de (121.600 WE). Als Höhepunkt der Privatisierung gilt der Verkauf der kommunalen „Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft“ (GSW), die 2004 mit 65.000 Wohnungen an ein Konsortium von US-amerikanischen Finanzinvestoren ging. Damit hat die Stadt Berlin in erheblichem Maße Interventionsmöglichkeiten auf dem ange- spannten Wohnungsmarkt verloren. Der Verlust öffentlichen Einflusses ging mit einer „Finanzialisierung“ der Immobilien- wirtschaft einher, wodurch die lokale Versorgung mit Wohnraum zunehmend durch Finanzakteure, -mechanismen und -praktiken geprägt ist. [33] Finanzialisierungsprozesse haben insbesondere im Nachgang der weltweiten Finanzkrise 2008 die Rahmenbedin- gungen für die Berliner Wohnungswirtschaft grundlegend verändert. Dabei hat die zu- nehmende Verschmelzung von Finanz- und Wohnungsmärkten zu einem dauerhaften Interesse der Finanzinvestoren am Erwerb von als „unterbewertet“ betrachteten Portfo- lios geführt. Entsprechend befinden sich heute etwa 60 Prozent des Wohnungsbestands in Berlin in den Händen privater Vermieter (10 Prozent börsennotierte Unternehmen, 21 Prozent privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen). [34] Gleichzeitig stieg der Anteil der ausländischen Investoren an Immobilientransaktionen zwischen 2009 und 2015 um etwa 240 Prozent. [35] Ferner wächst die Bereitschaft privater Haushalte, sich zu verschulden, um Vermögen in Form von Wohneigentum zu bilden. Niedrigzinspolitik und das fehlende Angebot an erschwinglichen Mietwohnungen führen so zu einer wachsenden Zahl von Haushalten, die Eigentum erwerben – nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch als Form der Ver- mögensbildung. So bezeichnete Formen eines „asset-based welfare“ [36] sollen zur sozialen Absicherung beitragen („Beton-Rente“). Dies verstärkt tendenziell soziale Disparitäten. Denn der Erwerb von Eigentumswohnungen ist für einkommensschwache Bewohner aufgrund mangelnden Eigenkapitals kaum möglich und für weite Teile der Mittelschich- ten mit Verschuldung und hohen Kreditrisiken verbunden. Dies hat zu tiefgreifenden Veränderungen in der Struktur des Berliner Wohnungsange- botes geführt. Die Anzahl der angebotenen Wohnungen mit Nettokaltmieten unterhalb der von den Jobcentern für Transferleistungsbezieherinnen und -bezieher angewandten Bemessungsgrenzen für die Kosten der Unterkunft (KdU) schrumpfte zwischen 2007 und 2015 von 103.000 auf 9.500 Einheiten. Noch 2007 war in fast allen Bezirken die Anzahl dieser Wohnungen höher als die der Eigentumswohnungen; 2015 dagegen konzentrie- ren sich KdU-fähige Wohnungen auf Marzahn-Hellersdorf (etwa 30 Prozent), Treptow- Köpenick, Lichtenberg und Spandau (je etwa 10 Prozent). Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Kaufangebote für Eigentumswohnungen in Berlin bei Immobilienscout24 von 27 auf 62 Prozent. [37]

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