Immobilien-Almanach 01

13 mehr leisten können. [24] Das stimmt und stimmt nicht: Verschiedene Untersuchungen be- legen, dass die Mehrzahl der Verdrängten zunächst versucht, in der Nähe des bisherigen Wohnorts zu bleiben. Entweder man vermietet unter und nimmt schlechtere Wohnbe- dingungen in Kauf, kommt bei Freunden und Verwandten unter oder zieht in das nächste noch bezahlbare Gebiet in der Nähe um. [25] Benachteiligte Berlinerinnen und Berliner bewegen sich so wie eine „Bugwelle“ vor der Gentrifizierung durch die Stadt und werden bislang nicht notwendig an den Rand gedrängt. Das wird sich ändern, sobald die Spielräu- me in der Innenstadt enger werden. [26] Dynamiken der Finanzialisierung und Privatisierung Die wachsende Nachfrage nach Wohnraum geht in Berlin mit einer Abnahme preisgüns- tiger Wohnungen einher. Dies entspricht einer Entwicklung in Richtung marktorientier- ter Wohnraumversorgungssysteme und spiegelt einen Wandel staatlicher Politiken in den vergangenen Jahrzehnten wider. In Berlin, der „Stadt des sozialen Wohnungsbaus par excellence“, [27] verringerte sich der Bestand an Wohnungen, die staatlicher Regulierung unterliegen, in den vergangenen 15 Jahren stark. Das betrifft zunächst den Bestand an kommunalen Wohnungen, der sich durch Verkäufe von 482.000 Wohneinheiten (WE) 1990 auf etwa 269.000 WE 2011 reduzierte. [28] Die Anzahl der Sozialwohnungen, die einer Mietpreisbindung unterliegen, ist noch stärker gefallen, von 365.000 WE 1993 auf ledig- lich 135.000 WE 2014. [29] 2016 fiel die soziale Bindung von knapp 9.000 Wohnungen weg, und es wird erwartet, dass das Angebot bis 2025 weiter schrumpft. [30] Dieser Rückgang beruht zunächst auf dem deutschen Modell des Sozialwohnungsbaus, bei dem die soziale Bindung nach einer bestimmten Zeit abläuft. Ohne zusätzliche Sub- ventionen geht die Zahl an Sozialwohnungen also automatisch zurück. Zusätzlich impli- zieren die teilweise in den 1970er Jahren festgelegten Förderkonditionen eine kontinu- ierliche Mietsteigerung, die im sozialen Wohnungsbau heute ein Niveau erreicht hat, das über demMittelwert des Mietspiegels liegt. In der Folge ist auch der soziale Wohnungsbau in vielen Fällen für Bezieher niedriger Einkommen und Transferempfänger unbezahlbar geworden. [31] Darüber hinaus wurden die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften im Zuge einer „Rollback-Neoliberalisierung“ [32] in zunehmendem Maße zur Konsolidierung der öffent- lichen Finanzen eingesetzt. Aus diesem Grund wurden etwa die Berliner Wohnungsbau- gesellschaften zu „In-sich-Verkäufen“ angehalten, bei denen sich ein Teil der Wohnungs- baugesellschaften verschulden musste, um den anderen Teil zu kaufen und die Gewinne an die Landeskasse abzuführen. Berlin verkaufte über die drei vergangenen Jahrzehnte – auch aufgrund von Schrump- fungsannahmen und der Haushaltsnotlage – in erheblichemMaße öffentliche Wohnungs- bestände an private Investoren. Dies betraf etwa ein Sechstel des Bestands der kommuna- len Wohnungsunternehmen Ostberlins, der im Rahmen des „Altschuldenhilfegesetzes“

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