Immobilien-Almanach 01

12 Das wirtschaftliche Wachstum kommt also nicht allen gleichermaßen zugute, sondern geht mit einer stärkeren Spreizung der Einkommen einher. [19] Das soziale Auseinander- driften schlägt sich in der sozialräumlichen Struktur der Stadt nieder und ist von zwei Trends geprägt. Zum einen werden Zuwanderung und Beschäftigungswachstum von Altersgruppen getragen, die in hohem Maße „stadtaffin“ sind. Die insgesamt gestiegene Nachfrage nach Wohnraum schlägt sich folglich besonders stark in den innerstädtischen Lagen nieder. Zum anderen trifft die ungleiche Einkommensstruktur in Berlin auf eine bereits verfestigte Segregation. Aus historischen Gründen sind die heute besonders nach- gefragten Innenstadtlagen von einem hohen Anteil an einkommensschwachen Haushal- ten und Migrantinnen und Migranten gekennzeichnet. Die Prozesse der Gentrifizierung, also der sozialen und baulichen Aufwertung von Wohnlagen durch sich wechselseitig verstärkende Prozesse wie den Zuzug neuer Bevöl- kerungsgruppen, der (Luxus-)Sanierung des alten Wohnungsbestands und der Verdrän- gung der alten Mieter, wandelten sich von einer Randerscheinung der Stadtentwicklung zum „Mainstream“. [20] Sie erfassten nach der Wiedervereinigung zunächst die Ostberliner Innenstadtbezirke Mitte und Prenzlauer Berg und bewegten sich anschließend im Uhr- zeigersinn über Friedrichshain und Kreuzberg nach Neukölln. Inzwischen sind fast alle zusammenhängenden Altbaugebiete innerhalb des S-Bahnrings auf die eine oder andere Weise von Aufwertungstendenzen geprägt. [21] Die Spanne reicht dabei von einer Gentrifi- zierung in Pionierphase (Wedding) zu einer „Supergentrification“ [22] wie in der Spandau- er Vorstadt und im südlichen Prenzlauer Berg. Die Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen lässt sich am Beispiel des Gebiets um den Kollwitzplatz illustrieren: Die Gebietseinkommen lagen 1993 etwa 25 Prozent unterhalb des Berliner Durchschnitts, nach Ende der Sanierung 2008 40 Prozent darüber. Ärmere Haushalte verließen das Gebiet, Besserverdienende zogen zu. Spiegelbildlich zur Gentrifizierung der Innenstadtgebiete steht die Abwertung von bereits in hohem Maße von Armut geprägten Gebieten. Traditionell fanden sich diese in einer Reihe vonWestberliner Innenstadtgebieten (Kreuzberg, Neukölln, Moabit, Wedding) und in den peripheren Großwohnsiedlungen am Stadtrand. Aktuelle Entwicklungen haben dieses Bild deutlich verändert und definieren die Ränder der Stadt neu. Nach Berich- ten des „Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin“ [23] findet sich weiterhin eine starke Bündelung von Armutsindikatoren in den von Migration geprägten innerstädtischen Ge- bieten Neukölln-Nord, Wedding/Moabit und Kreuzberg-Nordost – allerdings ist hier eine stabile bis positive Dynamik festzustellen, das heißt, Arbeitslosigkeit, Transferbezug und Kinderarmut stagnieren oder sind rückläufig. In den peripher gelegenen Großwohnsied- lungen Nord-Marzahn, Nord-Hellersdorf und Spandau-Mitte ist die Tendenz gegenläu- fig. Die Zahl benachteiligter Haushalte steigt, häufig durch den Zuzug sozial schwacher Gruppen. Ein führender Senatsbeamter, Hanno Klein, sprach von den großen Plattenbaugebieten in Ost und West bereits 1991 als „Staubsauger“ für diejenigen, die sich die Innenstadt nicht

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